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Das ist Kraft wirklich

Autor: Dr. Marco Toigo

Kraft

Was umgangssprachlich mit «Kraft» gemeint ist, hat nur wenig mit dem physikalischen Begriff der Kraft und noch weniger mit der eigentlichen Muskelkraft zu tun. Vielmehr ist damit die physiologische, mechanische und psychologische Kompetenz gemeint, eine schwere Last übungsspezifisch zu bewegen oder zu halten. Diese Kompetenz resultiert aus einer sich gegenseitig befruchtenden Zusammenarbeit zwischen dem Material (Masse, Architektur und Eigenschaften der Muskeln, Sehnen und Knochen) und der Regelung des Betriebs dieses Materials durch das zentrale Nervensystem. Vereinfacht gesagt meinen die meisten mit «Kraft» einfach die übungsspezifische Fähigkeit und Fertigkeit, eine Last von A nach B zu bewegen oder diese stillzuhalten.

In der Praxis erkennen Sie Ihre Kompetenzfortschritte aber ganz einfach daran, dass Sie mit der Zeit, wenn Sie richtig trainieren, die Trainingslast und/oder die Anzahl Wiederholungen (bzw. die Spannungsdauer) für die einzelnen Übungen erhöhen können. Sie können natürlich auch für jede Übung bei definierter Übungsausführung (Bewegungsausmass, Bewegungstempo usw.) die Last ausfindig machen, die Sie bei maximal willentlicher Anstrengung genau ein Mal über das volle Bewegungsausmass bewegen können, allerdings nicht ohne Verletzungsrisiko. Wenn Sie diesen Test von Zeit zu Zeit wiederholen, werden Sie hoffentlich feststellen, dass Sie die 1-Wiederholungs-Last steigern können.

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Übungskompetenz

Aus diesen Betrachtungen folgt, dass Sie prinzipiell auch ohne nennenswertes Muskelwachstum Ihre Übungskompetenz steigern können, zum Beispiel einfach indem Ihr Nervensystem das vorhandene Material zur Zielerreichung effektiver in Betrieb nimmt. Das ist übrigens genau das, was praktisch allen Einsteigern widerfährt: Studien bei untrainierten jungen Männern zeigen, dass bereits nach drei bis vier Trainingseinheiten an einem motorisch einfachen Gerät wie die Beinstreckermaschine die Übungskompetenz bzw. Kraft um bis zu 25 Prozent gesteigert ist, obwohl zu diesem Zeitpunkt noch keine Muskelquerschnittzunahme nachweisbar ist. Selbst in den nachfolgenden drei Trainingswochen ist die Zunahme der Übungskompetenz grösser als aufgrund der Zunahme der Muskelquerschnittfläche zu erwarten wäre. Bei motorisch anspruchsvolleren Übungen wie die Kniebeuge dürften die «Kraftsteigerungen» ohne gleichzeitiges Muskelwachstum noch grösser ausfallen.

Wenn Sie wie beschrieben trainieren, werden Sie je nach genetischer Voraussetzung mehr oder weniger Kraft und Muskelmasse gewinnen.

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Mehr Kraft ohne Muskelaufbau

Dr. Marco Toigo verrät, wie Sie Kraft ohne Muskelaufbau gewinnen können – und ob das Sinn macht.

Im ersten Teil dieses Aufsatzes bin ich darauf eingegangen, wie Sie Kraft und Muskelaufbau gewinnen. Wenn Sie jedoch aus irgendwelchen Gründen ausschliesslich an «mehr Kraft ohne Muskeln» interessiert sind, so können Sie beim Training die folgenden Strategien anwenden.

Kraft ohne Muskeln

  1. Hemmung oder Verhinderung der Auslösung der Prozesse, die das Muskelwachstum anregen: Verwenden Sie eine sehr hohe Trainingslast, die Ihnen nicht mehr als 20 bis 30 Sekunden Spannungsdauer bis zur Erschöpfung zulässt und führen Sie jede Übung nur ein Mal durch. Als Alternative können Sie diese Spannungsdauer auch erreichen, indem Sie mehrere langsame Wiederholungen mit der momentanen 1-Wiederholungs-Last ausführen (mit Pausen zwischen den Wiederholungen).
  2. Hemmung der durch das Training ausgelösten Wachstumsprozesse: Setzen Sie den im Krafttraining beanspruchten Muskel wiederholt einem hohen Energiestress aus, z. B. indem Sie unmittelbar ans Beintraining ein langes (1 bis 2 Stunden) Fahrradtraining bei moderater bis hoher Intensität absolvieren.
  3. Üben Sie die Bewegung, bei der Sie besser werden wollen. Bis Sie die Übung 300 Mal ausgeführt haben, liegen rein durch das Bewegungsüben merkliche Verbesserungen drin. Dasselbe gilt übrigens auch für die Steigerung der Bewegungsschnelligkeit.
  4. Wie die Resultate aus mehreren Studien zeigen, beträgt beim unilateralen Training (d. h. dem Training von einem Muskel nur auf einer Körperseite) der Effekt auf die «Kraft» der anderen, nicht trainierten Seite im Mittel 7,8%. Wenn Sie also nur Ihr linkes Bein trainieren, so gewinnt Ihr rechtes Bein ohne Muskelwachstum circa 8% an «Kraft».

Lebenskompetenz
Es gibt ein paar Ausnahmefälle (z. B. bei Spitzensportlern), bei denen diese Strategien sinnvoll sein können. Für den Grossteil der Bevölkerung empfehle ich jedoch ein Training, welches sowohl Kraft- als auch Muskelaufbau fördert. Dies ganz einfach darum, weil die meisten Menschen damit Mühe bekunden, überhaupt sichtbar Muskeln aufzubauen und nicht damit, dass sie mit Training zu viel Muskeln aufbauen. Zudem ist langfristig betrachtet eine universell ausgebildete Muskelmasse nicht nur ein entscheidender Faktor für Ihre Übungskompetenz, sondern vor allem für Ihre Lebenskompetenz.

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